FORSCHUNG

Übersicht über Studien, Forschungsergebnisse zur Wirkung hochfrequenter Felder (elektromagnetische Wellen)

Cindy Sage

Sage Associates, 1225 Coast Village Road, Suite G, Santa Barbara, California 93108, USA, sage@silcom.com

Einführung

Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis ist keine notwendige Voraussetzung für vernünftige Entscheidungsfindung in einem öffentlichen Prozess. Die Forschung muss jedoch den Rahmen vorgeben und den Wissensstand vertiefen, in wie weit und in welcher Weise bestimmte Expositionen ein Gesund­heitsrisiko darstellen können.

Im Wesentlichen beruhen Entscheidungen über den Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Hochfrequenzfeldern (HF Feldern) und gesundheitsschädigenden Effekten bei niedrigen Feldstärken auf zwei Schritten: Zum einen ist das gesamte wissenschaftliche Datenmaterial zu dieser Frage zu bewerten und der Öffentlichkeit schlüssig, verständlich und korrekt zu vermitteln.

Zum zweiten ist jener Grad an Sicherheit zu definieren, ab welchem es gerechtfertigt ist, provisorische oder permanente Schritte zur Risikoreduktion zu setzen. Endgültige wissenschaftliche Erkenntnis sollte weder implizit noch explizit die Voraussetzung dafür sein, dass die Gesellschaft Maßnahmen trifft. Im Falle, dass es sich um ein weltweites Problem handelt, das eine große Zahl von Personen betrifft, sind selbst geringe Risiken ausreichend, Minimierungsstrategien zu veranlassen.

In diesem Papier werden die wichtigsten Studien, die biologische Effekte und mögliche Gesundheits­schäden durch HF Feld-Exposition beschreiben, zusammengefasst. Im Bemühen, Wissenschaft verständlich zu präsentieren, werden die relevanten biologischen Effekte übersichtlich und tabellarisch aufbereitet. Dabei wird versucht die Informationen so zu gestalten, dass sie direkt (als Overheadfolien oder Dias) bei öffentlichen Hearings zu Mobilfunkanlagen verwendet werden können.

Effekte auf das genetische Material (DNA)

Lai and Singh (1995) berichteten als erste über Strangbrüche in Nukleinsäuren unter RF Feldern niedriger Intensität. Sie fanden eine dosisabhängige Zunahme von Einzel- und Doppelstrangbrüchen in Hirnzellen, die über 2 Stunden gegenüber einem Feld von 2450 MHz mit einer spezifischen Absorptionsrate (SAR) von 0,6 und 1,2 W/kg exponiert waren. Dieser Effekt konnte mittels des sensiti­ven Komet-Assay sowohl bei gepulster als auch bei kontinuierlicher Bestrahlung nachgewiesen wer­den.

Phillips et al. (1998) berichteten über Einzelstrangbrüche unter Exposition mit Mobilfunkfrequenzen (813,5 und 836,5 MHz) niedriger Intensität (im Mittel 2,4 und 24 pW/g). Phillips nahm an, dass die Reparatur der DNA durch RF Felder beeinträchtigt werde. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass auch niederfrequente Felder (60 Hz) eine signifikante Zunahme der Einzelstrangbrüche in 1G und Molt-4 Lymphoblastomzellen bewirken. (Department of Energy Contractors Conference, Tucson, Arizona, Abstract A-8, 1998). Er vermutete, dass niederfrequente Felder sowohl die Nukleinsäuren direkt schädigten als auch die Reparaturprozesse hemmten und so zum Zelltod (Apoptose) führten.

Es wird generell angenommen, dass Mikrowellen nicht direkt genotoxisch sind (das heißt, zu einem direkten Schaden an Genom oder DNA führen), wenn sie nicht durch hohe Intensität zu einer starken Gewebserwärmung führen (thermische Wirkung).

Blank und Goodman (1997) vermuteten, dass das elektromagnetische Signal an der Zellmembran über direkte Interaktion mit mobilen Ladungsträgern in Enzymen wirke. Jüngste Studien zeigen, dass innerhalb der Nukleinsäuren zwischen den Basenpaaren starke Elektronenflüsse möglich sind. Daher könnten elektromagnetische Magnetfelder die Transkription stimulieren und mit der DNA direkt interagieren. Ältere Arbeiten von Blank und Goodman über Hitze-Schock-Proteine (HSP) werden zi­tiert, die zeigen, dass EM Felder die gleichen Zellmechanismen auslösen wie Erwärmung, jedoch bei sehr viel niedrigerer Energiedosis (siehe Gentranskription und Induktion).

Chromosomale Schäden und Mikrokerne

Garay-Vrhovac et al. (1999) berichten, dass bei Arbeitern, die chronisch HF Feldern von 1250-1350 MHz (bei lediglich 10-20 [jW/cm2) ausgesetzt waren, die Zahl der Mikrokerne erhöht war. Vijayalaxmi et al (1997, 1998) zeigten den selben Effekt an peripheren Blutzellen und Knochen­markszellen von Mäusen mit erhöhter Neigung zur Krebsentstehung unter 2450 MHz Bestrahlung. Ursprünglich (1997) erschien der Effekt nicht signifikant. In einer neuen Kalkulation (1998) korrigier­ten sie dies und zeigten, dass die Zunahme der Mikrokerne doch signifikant gewesen war.

Maes et al. (1993) exponierten menschliche Blutlymphozyten gegenüber 2450 MHz Feldern. Bei a-thermischen Feldstärken fiel eine deutliche Zunahme an Chromosomenschäden und Mikrokernen auf. Die Chromosomenschäden nahmen mit der Dauer der Exposition zu. Eine Art der aufgetretenen Schäden, die Bildung dizentrischer Chromosomen, gilt als typisches Zeichen ionisierender Strahlen. Die Ergebnisse sind konsistent mit Schäden bei anderen Frequenzen und Feldstärken, die von ande­ren berichtet wurden (Leonard et al., 1983; Garaj-Vrhovac et al., 1990, 1991; d'Ambrosio et al., 1992).

Maes et al. (1995) berichteten über ein Experiment, in dem Vollblut dem Feld einer GSM-Basisstation ausgesetzt wurde. In einer Entfernung von weniger als 5 cm traten binnen 2 Stunden vermehrt Chromosomenschäden auf. Die selben Autoren untersuchten Kombinationswirkungen von 954 MHz Feldern und dem chemischen Mutagen Mitomycin C an menschlichen Lymphozyten. Die Blutproben wurden der Strahlung einer Basisstation (SAR ca. 1,5 W/kg) ausgesetzt. Dies verstärkte den schädigenden Effekt des Mutagens bezüglich Sister Chromatid Exchange (SCE) und Einzelstrangbrüchen.

Effekte auf die Ornithindecarboxylase (ODC)

Litovitz et al. (1993, 1997a, 1997b) und Penafiel et al. (1997) untersuchten die zelluläre Produktion von ODC. Dieses Enzym wird in schnell wachsenden Geweben, insbesondere in Tumoren exprimiert. Amplitudenmodulierte (aber nicht frequenzmodulierte oder kontinuierliche) 835 MHz Felder hatten auf L929 Zellen ab einer SAR von ca. 2,5 W/kg einen signifikanten Effekt. Dieser trat bei mehreren Arten der Amplitudenmodulation auf, unter anderem auch bei der für das TDMA-Telefonsystem ty­pischen. So wurde der Effekt bei Modulationsfrequenzen zwischen 16 und 65 Hz gefunden, nicht aber bei 6 oder bei 600 Hz. Wichtig war auch die Beobachtung, dass der Effekt der ODC-Stimulierung nur auftrat, wenn das Feld über 1 bis 10 Sekunden Zeitintervalle konstant blieb. Falls die Frequenz sich in Sekundenintervallen änderte, kam es zu keiner Stimulierung der ODC.

Gen-Transkription und -Induktion

Goswami et al. (1999) berichten erhöhte Fos mRNA-Levels in Fibroblasten unter Mobiltelefon RF Feldern. 835,62 MHz FM CW Felder führten zu einer statistisch signifikanten Verdoppelung der proto-oncogenen Fos mRNA-Level. Die 847,74 MHz (code division multiple access; CDMA) Telefonfrequenz führte zu einer 40 bis 90% Zunahme von Fos mRNA, die auch statistisch signifikant war. Diese Daten zeigen, dass spezifische Gene (in diesem Fall Proto-Onkogene) von RF Signalen aus Mobiltelefonen beeinflusst werden können.

Stressreaktion

Daniells et al. (1998) wiesen nach, dass Nematoden auf Mikrowellenstrahlung mit Stress reagieren, der dem der Einwirkung von Hitze oder toxischen Chemikalien entspricht. Das Nematodenmodell zeigte, dass Mikrowellenstrahlung bereits bei niedrigeren Energiedosen eine heftigere Stressantwort hervorrief als Hitze. Mikrowellen führten zu Schäden an intrazellularem Protein und zur Induktion von Hitzeschockprotein. Der Schaden ähnelte dem von toxischen Metall-Ionen. Die Induktion der HSP wurde von den Autoren als klares Zeichen eines biologischen Effektes von Mikrowellen im Sinne einer Stress-Antwort gedeutet.

Effekte der Mikrowellenstrahlung auf zellularer Ebene

Das Gleichgewicht der Kalzium-Ionen ist für die Zellkommunikation, Zellwachstum und andere le­benswichtige Prozesse sehr bedeutend. Einflüsse auf den Kalziumfluss an Zellmembranen wurden als einer der ersten Bioeffekte von RF Feldern untersucht. Die bahnbrechende Arbeit von Adey und sei­nem Team hat viele Einzelheiten aufgedeckt, wie RF Felder die Kaskade zellulärer Vorgänge beein­flussen. Hier kann nur eine kleine Auswahl dieser Arbeiten präsentiert werden. Eine ausführliche Zu­sammenfassung findet sich bei Adey (1997).

Adey (1993) bietet einen Überblick zu zellulären Bioeffekten von Mikrowellen, die nicht auf der Er­wärmung des Gewebes beruhen (a-thermische Effekte). Besonders berücksichtigt er AM und PM Mikrowellen und diskutiert die Bedeutung freier Radikale im Gehirn und Gefäßsystem beim oxidati-ven Stress im Hinblick auf Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, koronare Herzkrankheit, Zellalte­rung und Krebs. A-thermische Dosen von Mikrowellen-Strahlung können sowohl als Tumor-Promotor als auch als -Induktor wirken. Warnend weist Adey darauf hin, dass die gefundenen Bioeffekte bei niedrigen Feldstärken dringend nach weiteren Untersuchungen verlangen, insbeson­dere in Bezug auf nicht-lineare Dosis-Wirkungs-Beziehungen.

Dutta et al (1989) berichten über Veränderungen im Kalzium-lonen-Haushalt sowohl in den Nerven­geweben von Vögeln und Katzen wie auch in menschlichen Neuroblastom-Zellen. Bereits bei sehr niedrigen SAR (0,05 und 0,005 W/kg) fanden sich bei 147 MHz (amplitudenmoduliert mit 16 Hz) signifikante Effekte. Weiters wird berichtet, dass die Zunahme des Kalzium-Efflux bei 0,05 W/kg so­wohl zwischen 13 und 16 als auch 57,5 und 60 Hz Modulationsfrequenz am höchsten war. Die Au­toren schließen, dass AM RF in Nervenzellen verschiedenster Tierspezies (einschließlich des Men­schen) Effekte hervorrufen. Diese Effekte seien im Einklang mit Ergebnissen anderer Studien am Vo­gel- und Katzenhirn und erlaubten, dass die gefundenen Effekte verallgemeinert werden können.

Zelluläre Effekte am Immunsystem

Fesenko et al. (1999) berichteten, dass eine Ganzkörperbestrahlung männlicher Mäuse bei einem Leistungsfluss von 1 uW/cm2 das Immunsystem signifikant beeinflusste. Nach Novoselova et al. (1999) führte eine fünfstündige Bestrahlung bei 1 |jW/cm2 zu einer Immunstimulierung der Makro-phagen und T-Lymphozyten.

Lyle et al. (1983) fanden unter a-thermischen Feldstärken einer sinusförmig AM RF-Strahlung eine Reduktion der zellulären Immunfunktion. Ein 450 MHz RF-Feld wurde mit 60 Hz moduliert. Das un-modulierte Trägersignal selbst hatte keinen Effekt, und Modulationsfrequenzen von 3, 16 und 40 Hz führten zu zunehmend schwächeren Effekten als 60 Hz, welche die stärkste Unterdrückung der Lym-phozytenaktivität bewirkten.

Veyret et al. (1991) entdeckten, dass sehr schwache gepulste Mikrowellen das Immunsystem signifi­kant beeinflussen, wobei sowohl starke Verstärkungen als auch Abschwächungen der Immunantwort bei bestimmten AM Frequenzen auftraten. Gepulste Mikrowellen von 9,4 GHz wurden zwischen 14 und 41 MHz amplitudenmoduliert. Die Leistungsflussdichte betrug 30 )jW/cm2, die durchschnittliche Ganzkörper-SAR etwa 0,015 W/kg. Das Trägersignal ohne Modulation führte interessanterweise zu keinem Effekt.

Über einen Effekt von AM und CW RF Feldern berichten Elekes et al. (1996). Beide bewirkten eine mäßige Steigerung der Antikörper-Bildung in männlichen Mäusen (nicht hingegen in weiblichen). Die Trägerfrequenz betrug 2,45 GHz (die in industriellen Anwendungen gebräuchlich ist), die Modulati­onsfrequenz 50 Hz (ähnlich der Frequenz in einigen Mobiltelefon-Systemen wie TDMA). Die Lei­stungsflussdichte betrug 0,1 mW/cm2. Dies entspricht dem ungarischen Arbeitsplatz-Grenzwert für Langzeitexposition. Das Experiment fand unter Kurzzeit-Bedingungen statt und die Autoren weisen darauf hin, dass die Kürze der Exposition eventuell für die geringe Ausprägung des Effektes verant­wortlich sei.

Blut-Hirn-Schranke

Die Blut-Hirn-Schranke spielt eine wichtige Rolle, indem sie die Aufnahme von Toxinen aus dem Blut ins Gehirn verhindert und so das Gehirn vor Schäden schützt. Sie weist eine selektive Permeabilität auf, so dass einige Moleküle wie z.B. Glukose durchgelassen werden und andere nicht. So erfüllt sie neben der Schutzfunktion auch die Aufgabe der Aufrechterhaltung eines optimalen Nährstoffgleich­gewichts in den Hirnflüssigkeiten.

Perrson et al. (1997) berichten über pathologische Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke unter 915 MHz Mobilfunk-Frequenz sowohl bei CW als auch gepulster RF Strahlung. Beim niedrigsten Exposi­tionsniveau (0,0004 W/kg) wurde der stärkste Effekt gefunden. CW wirkte stärker als gepulste, letztere am stärksten bei einer Modulationsfrequenz von 8-50 Hz. 55% der CW-exponierten Ratten, nicht jedoch der PW-exponierten, zeigten pathologische Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke bei höheren SAR von 1,7-8,3 W/kg.

Salford et al. (1994) zeigten, dass 915 MHz RF-Felder eine erhöhte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke bewirken. Dies betrifft sowohl CW als auch gepulste Strahlung. 56 von 184 Ratten, die SAR war 0,016 bis 5 W/kg, zeigten pathologische Werte im Vergleich zu 5 von 62 Kontrollen. Ob dies ein unmittelbares Gesundheitsrisiko darstellt, sollte durch weitere Untersuchungen geklärt wer­den. Die Tatsache, dass sowohl CW als auch PW Felder die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigen, sei jedenfalls besorgniserregend. Salford zitiert wenigstens 10 weitere Veröffentlichungen zu Effekten von RF Feldern auf die Blut-Hirn-Schranke.

Blutdruck

Lu et al. (1999) berichten, dass Ultraweitband-EM-Pulse in Ratten niedrigen Blutdruck bewirken. Im Zeitraum von 45 Minuten bis 3 Wochen nach einer Exposition von 0,121 W/kg kam es zu einer si­gnifikanten Senkung des arteriellen Druckes ohne Beeinflussung der Herzfrequenz. Die Autoren wei­sen darauf hin, dass die Blutdrucksenkung unter UBW-Strahlung ein sehr konsistenter, robuster und beständiger Effekt sei.

Geschlechtsorgane

Dasdag et al. (1999) exponierten Mäuse gegenüber Mobiltelefon-Feldern und fanden deutliche strukturelle Veränderungen in den Hoden. Bei einer SAR von lediglich 0,141 W/kg sowohl im Sprach- als auch im Stand-by-Modus kam es zu Schrumpfungen der Samenkanälchen im Durchmes­ser. Die Exposition fand über ein Monat täglich in zwei Stunden drei mal je Stunde über eine Dauer von 1 Minute statt. Histologische Veränderungen traten aber nur im Sprach- nicht aber im Stand-By-Modus auf.

Krebs

Von den genetischen Bausteinen des Lebens bis hin zum Gesamtorganismus wurden Effekte von nieder- und hochfrequenten EM Feldern gezeigt, die gesundheitsschädlich sein können. Alle Grund­funktionen des Körpers, welche das Zellwachstum und die Zellteilung kontrollieren, die Immunüber­wachung sowie der Schutz vor Toxinen können betroffen sein, vielfach selbst bei umwelttypischen Feldstärken. Krebs als relevanter Endpunkt von RF Strahlung ist seit 20 Jahren untersucht worden und sowohl Tierexperimente als auch Untersuchungen am Menschen weisen auf einen Zusammen­hang zwischen bestimmten Formen der Exposition und Krebs hin. Die größte Sorge bezüglich der Technologie der Mobiltelefonie besteht in deren raschen weltweiten Verbreitung, wodurch binnen kürzester Zeit Millionen Anwender einer potentiellen Gefahr ausgesetzt werden, wobei sich die Hin­weise auf ein erhöhtes Risiko für Hirntumore verdichten.

Im Auftrag der US Air Force untersuchten Guy et al. (1984) Ratten im ersten großen Programm, das sich mit Effekten von Mikrowellen auf die Gesundheit befasste. Zum damaligen Zeitpunkt gab es bereits mehr als 6000 Artikel zu biologischen Effekten von RF Feldern, aber keinen, der sich mit dem Gesundheitsrisiko geringer Feldstärken befasste. Historisch gesehen erbrachte diese Studie als erste Belege für Effekte unter Langzeitexposition. John Mitchell (1992) vom Brooks Air Force Base Arm-strong Laboratory als Auftraggeber von Guys Rattenexperiment fasste zusammen: "Auf unser Ersu­chen führte Bill Guy eine bedeutende Langzeit-Studie durch, die besser und gründlicher war als alle bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiet. Die Tiere kontinuierlich über 2 Jahre zu exponieren entsprach einem gänzlich neuen Konzept, für welches auch die gesamte technische Ausrüstung neu adaptiert werden musste."

Das Ziel der Studie war, Tiere während ihres gesamten natürlichen Lebens einer RF Strahlung von 450 MHz bei einer Flussdichte von 1 mW/cm2 auszusetzen. Der Schwerpunkt des Interesses lag auf möglichen kumulativen Effekten auf Lebensdauer und allgemeinen Gesundheitsindikatoren.

Der erste Bericht über das Rattenexperiment erschien 1985 (US Air Force USAFSAM-TR-85-64 report "Effects of long-term low-level radiofrequency radiation exposure on rats"). Darin wird eine vierfa­che, statistisch signifikante Zunahme von Krebserkrankungen dokumentiert.

Anlässlich der Festschrift zu Guys Pensionierung berichten Chou et al. (1992) neuerlich über diese Ergebnisse. Sie geben die damalige SAR mit 0,15 - 0,4 W/kg an. Verwendet wurde ein 2450 MHz Feld mit eine Pulsmodulation von 8 Hz. Beachtlicherweise beträgt die gegenwärtige ICNIRP-Empfehlung zur SAR für die Allgemeinbevölkerung ebenfalls 0,4 W/kg.

Obwohl Guy dringend eine Überprüfung und Reproduktion seiner Ergebnisse einmahnte, wurde über mehr als ein Jahrzehnt keine weitere vergleichbare Untersuchung in Angriff genommen.

Repacholi et al. (1997) fanden bei transgenen Mäusen unter 900 MHz GSM-Frequenz eine signifi­kante 2,4-fache Erhöhung der Lymphominzidenz. Es ist bemerkenswert, dass normale GSM-Signale über nur zwei mal je eine halbe Stunde täglich verwendet wurden. Geschäftsreisende telefonieren derzeit oft mehr als 3 Stunden täglich.

Eine zweite Mäuse-Studie von Repacholi (Harris et al, 1998) fand bei 50 Hz EM-Feldern keine Zu­nahme von Krebserkrankungen. Bezugnehmend auf die andere, positive Studie und epidemiologi­sche Untersuchungen, die mit der Nähe zu Hochspannungsleitungen eine erhöhte Krebsinzidenz fanden, diskutieren die Autoren, dass für die Wirkung der Hochspannungsleitungen nicht die 50/60 Hz Felder, sondern transiente Hochfrequenzfelder verantwortlich seien. Im 50 Hz Mäuseexperiment erfolgte die Exposition derart, das transiente Hochfrequenzfelder minimiert waren.

Hardell berichtete 1999 über ein erhöhtes Risiko für Hirntumoren bei Benutzern von Mobiltelefonen. Hierbei handelte es sich zumeist um Glioblastome sowie um Meningeome und Neurinome. Ein er­höhtes, allerdings nicht statistisch signifikantes Risiko fand sich bei analogen Telefonen für maligne Hirntumore an jener Seite des Kopfes, an welcher das Telefon üblicherweise gehalten wurde. Für GSM-Telefone war die Expositionszeit noch zu kurz für abschließende Aussagen. Auf Akustikus-Neurinome fand sich kein Einfluss.

Adey et al. (1999) beschrieben einen schwachen protektiven Effekt von Mobiltelefon-Feldern auf die Entwicklung von Hirntumoren bei Ratten. Verwendet wurde ein TDMA Signal mit 836,55 MHz. Der erwartete tumorpromovierende Effekt wurde nicht gefunden, hingegen (nicht signifikante) Tenden­zen zu einer Tumorprotektion.

Subjektive Symptome bei Benutzern von Mobiltelefonen

Mild et al. (1998) berichten über eine Schwedisch-Norwegische Gemeinschaftsstudie zu Mobilfunk­benutzern (sowohl analoge als digitale Telefonie). Es fand sich ein statistisch signifikanter Zusam­menhang zwischen der Gesprächszeit bzw. der Zahl der Gespräche pro Tag und der Prävalenz be­stimmter Symptome wie Wärmegefühl hinter und um das Ohr, Kopfschmerz und Müdigkeit. GSM-Telefone zeigten allerdings eine schwächere Wirkung, insbesondere in den schwedischen Daten.

Hocking (1998) untersuchte, ob die normale Benutzung von Mobiltelefonen unmittelbar zu Be­schwerden im Kopf-Hals-Bereich führt. 40 Teilnehmer mit ausstrahlenden Schmerzen berichteten über sehr unterschiedliche Latenzzeiten und zeitliche Verläufe der Beschwerden (bei Wenigen Schmerzen binnen 5 Minuten ab Telefonat, bei 12 eine Zunahme der Beschwerden über den ganzen Tag). Alle berichteten, dass sie diese Schmerzen von sonstigen „üblichen" Kopfschmerzen unter­scheiden könnten. 11 gaben weiters vorübergehende Beeinträchtigungen der Sehschärfe an. 15 klagten über Übelkeit und Schwindelgefühl. Eine Person hatte bereits zuvor unter Tinnitus gelitten. Nach einem längeren Gespräch über Mobiltelefon seien jedoch eine Taubheit und ein Schwindelge­fühl aufgetreten und hätten 5 Stunden angehalten. 3 Personen trugen das Telefon am Gürtel. Einer beschrieb nächtliche Schmerzen an dieser Stelle und ein anderer ein Kältegefühl an der Hüfte. Beim dritten imponierten die Beschwerden wie Muskelschmerzen. 28 hatten die Beschwerden bei Benut­zung eines GSM-Telefones, 10 mit einem analogen. Von den ersteren berichteten 13, dass sie zuvor ein analoges Gerät problemlos benutzt hatten. 22 meinten, sie würden ihr Telefon mehr als 5 mal am Tag benützen. 34 hatten ihr Telefonverhalten auf Grund der Beschwerden verändert.

Neurologische Effekte

Neurologische Effekte von RF Feldern sind auf verschiedenen Ebenen an lebenden Organismen un­tersucht worden. Auf molekularer Ebene existieren Untersuchungen, die bereits bei a-thermischen Intensitäten Wirkungen beschreiben und replizieren. Darunter fallen Änderungen des Kalziumhaus­halts und der Neurotransmitter-Sekretion. Auf höheren Ebenen finden sich unter anderem Befunde zur Verhaltensmodifikation und zur Beeinflussung des Schlafs.

Lai (1994a) erstellte eine Literaturübersicht zu neurologischen Effekten von RF Feldern auf das ZNS. Sie bietet eine präzise Übersicht, wie das Zentralnervensystem (ZNS) normalerweise arbeiten sollte und wie RF Felder die Funktion des ZNS stören. Das ZNS koordiniert und kontrolliert die Reaktionen des Organismus auf Umweltreize mittels autonomer und willkürlicher Motorik sowie auf neurohu-moralem Wege. Verhaltensänderungen könnten zu den sensitivsten Effekten von RF Feldern zählen.

Verschiebungen der Kalzium-Ionen im Nervengewebe werden von RF Feldern beeinflusst. Kalzium-Ionen spielen in vielen Vorgängen von der Freisetzung von Neurotransmittern bis zur neuronalen Reizweiterleitung eine Rolle. Änderungen ihrer Funktion kann daher zu relevanten Gesundheitsschä­den führen.

Psychoaktive Pharmaka

Die Wirkung der Psychopharmaka beruht auf der physiologischen Rolle der Neurotransmitter. RF Felder beeinträchtigen manche Funktionen der Neurotransmitter und somit auch von Psychopharma­ka. Lai berichtet, dass RF Felder bei 0,6 W/kg die Pentobarbital-induzierte Narkose und Hypothermie bei Ratten beeinflussen. Das Nervensystem wird empfindlicher gegenüber krampfauslösenden Stof fen wie Pentylentetrazol. Die Empfindlichkeit gegenüber Curare-artigen Medikamenten, die zur Mus­kelrelaxation bei chirurgischen Eingriffen verwendet werden, wird hingegen durch RF Felder gesenkt. Die Wirkung von Anxiolytika wie Valium und Librium wird durch RF Felder potenziert. Lai (1992) vermutete, dass endogene Opioide durch schwache RF Felder aktiviert werden. Dies könnte erklären, dass Ratten unter RF-Bestrahlung mehr Alkohol zu sich nahmen und Morphin-abhängige Ratten geringere Entzugssymptome zeigten. Interaktionen zwischen RF Feldern und Psychopharmaka kön­nen selektiv unterbunden werden, wenn man die Tiere zuvor mit Opiat-Antagonisten behandelt (Lai etal., 1986).

Serotonin

Es wird berichtet, dass die Serotoninaktivität von RF Feldern beeinflusst wird. Medikamente, die die Serotoninspeicher leeren (wie Fenfluramin) werden in ihrer Wirkung durch RF Felder verstärkt (Pank-sepp, 1973 in Lai, 1994). Lai (1984) berichtet, dass Hyperthermie durch RF Felder durch eine Vorbe­handlung mit Serotonin-Antagonisten geblockt werden kann. Die Hyperthermie dürfte daher auf einer Aktivierung des serotoninergen Systems durch RF Felder beruhen. Medikamente, die die Sero-tonin-Ausschüttung reduzieren, unterdrücken die Aggressivität (Panksepp, 1973 in Lai, 1994). Sero-tonin beeinflusst Schlaf, Lernprozesse, Hormonregulation, autonome Steuerungen, Stressreaktionen und die Motorik (Lai et al., 1984). Ein Krankheitsbild beim Menschen, genannt „Serotonin-lrritations-Syndrom", umfasst Angst, Kopfschmerz und Migräne, Hautrötung und Hyperperistaltik im Zuge von hyperserotoninergen Zuständen. Bis heute gibt es jedoch keine weiteren Untersuchungen zur Klä­rung der Zusammenhänge von RF Feldern und Serotonin.

Augenschädigungen

Medikamente können auch die Schadwirkung von RF Feldern auf die Augen erhöhen. Kues et al. (1992) berichteten, daß Medikamente, die bei Glaukomen indiziert sind, adverse Effekte von RF Fel­dern auf die Cornea steigern könnten.

Verhaltensänderungen

Seamans et al. (1999) berichteten, dass medikamenteninduzierte Hyperaktivität in Mäusen der gepul­sten Ultrabreitbandexposition (UWB) entgegenwirke. Die Autoren meinten, dass diese Effekte mögli­cherweise mit einem Anstieg der Stickstoffmonoxidproduktion (NO) durch die Exposition, der NOS induziert, in Zusammenhang stehen. Die UWB-lmpulse scheinen eher auf die lokomotorische Aktivität als auf die thermische Nozizeption zu wirken.

Über RF Felder bedingte Verhaltensänderungen wird in vielen wissenschaftlichen Studien berichtet (D'Andrea, 1999). Das Paradigma der Leistungsbeeinträchtigung, das auf thermisch abgeleiteten Grenzwerten von RF Feldern basiert, berücksichtigt nicht die Berichte über Effekte von Mikrowellen auf kognitive Leistungen. D'Andrea (1999) erörtert, dass "Effekte auf kognitive Leistungen sich wahrscheinlich schon bei niedriger SAR zeigen als benötigt werden, um über die Thermoregulation das Verhalten total zu stören." Und weiters "die aktuelle Literatur über Hitzestress liefert weder Da­ten noch Modelle, die Verhaltenseffekte bei niedriger SAR voraussagen". Schließlich bemerkt er, dass "die Ganzkörper- und Teilkörperabsorption von Mikrowellen (Hotspots) von 10 MHz bis 100 GHz eindeutig belegt ist". Hotspots variieren stark mit der Frequenz, Form und Größe der Säugetiere und deren Orientierung im Feld (D'Andrea, 1999).

Die Leistungsfähigkeit bei kognitiven Aufgaben kann bereits bei Expositionen gestört sein, die niedri­ger sind als die, die zu Verhaltensänderungen aufgrund der thermischen Effekte führen. "Anders als die Störung der Leistung bei einfachen Aufgaben, könnte eine Störung der kognitiven Funktionen zu bedeutenden Beurteilungsfehlern aufgrund einer geänderten Wahrnehmung, Störung des Gedächt­nisses, der Aufmerksamkeit und/oder Lernfähigkeit führen. Dies resultiert in einem geänderten, jedoch nicht gänzlich gestörten Verhalten." (D'Andrea, 1999).

Über neurologische Effekte und Wirkungen auf das Verhalten durch RF Strahlung auf Menschen gibt es Hinweise aus den letzten 50 Jahren. In einer älteren Übersichtsarbeit (Silverman 1973) werden Gesundheitseffekte, die in Zusammenhang mit Mikrowellen stehen, zusammengefasst. Sie berichtet, dass "die wenigen Experimente, die an Versuchspersonen durchgeführt worden sind, Hinweise auf mögliche Sensitivitätsveränderungen von verschiedenen Sinnesorganen, insbesondere Hör und Geruchssinn", geliefert hätten.

Es gab mehrere Fallberichte, Gerüchte und Spekulationen über die Bedeutung der Strahlung im Mi­krowellenbereich bei einer Reihe von Störungen des ZNS, wie z.B. eine kausale Rolle bei ernsten neurotischen Syndromen, Astrozytom oder auch eine Schutzwirkung bei Multipler Sklerose.

Hauptsächlich wurden Effekte auf das Nervensystem und das Verhalten aufgrund von Mikrowellen in klinischen Arbeitsplatzstudien an Gruppen gefunden, die unterschiedlichen Intensitäten und Frequen­zen, aber generell langfristig, ausgesetzt waren. Sie untersuchte nichtthermische Effekte im Nied­rigdosisbereich bei langfristiger Exposition an Geräten, die Mikrowellen emittieren. In neun klinischen Studien mit Arbeitern in der ehemaligen CSSR, Polen, UdSSR und den USA zeigten sich Effekte auf das Nervensystem. Silverman bemerkt, dass solche Studien „in den USA nach 1950 praktisch auf­hörten, während bedeutende Untersuchungen in der UdSSR und anderen osteuropäischen Staaten fortgesetzt wurden."

Raslear et al. (1993) berichteten über die Beobachtung signifikanter Effekte auf kognitive Funktionen, insbesondere in Entscheidungsfindungsprozessen, bei Ratten.

Lernfähigkeit und Gedächtnis

Lai et al. (1994) fanden, dass Ratten, die für 45 Min. gegenüber 2450 MHz RF Strahlung mit einer Ganzkörper SAR von 0,6 W/kg exponiert waren, ein Lerndefizit im Sternlabyrinth, einem Testsystem zur Untersuchung des (räumlichen) Kurzzeitgedächtnisses. Bei der Suche nach Lern- und Gedächtnis­defiziten fand Lai, dass ein Medikament, welches die cholinerge Aktivität im Gehirn steigert, dieses mikrowelleninduzierte Lerndefizit blockieren kann. Es ist bekannt, dass cholinerge Systeme des Ge­hirns beim räumlichen Lernen und somit auch im Sternlabyrinth involviert sind (Lai et al. 1994).

Kognitive Funktionen

Koivisto et al. (2000) berichteten, dass Aufmerksamkeit und Reaktionszeit durch die Exposition ge­genüber 902 MHz Strahlung möglicherweise beschleunigt werden können. Die kognitive Funktion von 48 gesunden Versuchspersonen wurden bei Mobilfunkfrequenzen getestet. Die Resultate zeig­ten, dass die Exposition die Reaktionszeit bei einfachen Reaktions- und Vigilanz-Aufgaben beschleu­nigte, dass aber die Erkennungszeit in arithmetischen Tests verzögert war. Die Autoren meinten, dass die Strahlung von Mobiltelefonen einen fördernden Effekt auf bestimmte Gehirnfunktionen, v.a. bei Aufgaben, die Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung im Arbeitsgedächtnis erfordern, aus­üben könnte.

Krause (2000) berichtete, dass die Strahlung von Mobiltelefonen das Ruhe-EEG nicht veränderte, aber die Reaktionszeit während einer Gedächtnisaufgabe signifikant beeinflusste. Eine Exposition mit einer SAR im Bereich von 0,3-0,44 W/kg (Mobilfunkfrequenzen) resultierte in Änderungen bei aku­stischen Gedächtnistests.

Preece (1999) berichtete, dass RF Felder im Mobilfunkfrequenzbereich die Reaktionszeit steigere aber keine Effekte auf das Gedächtnis zeige. Studenten wurden sowohl gegenüber kontinuierlichen Wel­len als auch gepulsten Signalen für eine halbe Stunde exponiert. Danach wurden sie hinsichtlich Re­aktionszeit, und Präzision bei Kognitionstests untersucht. Je höher die Leistung des Signals war, desto kürzer war die Reaktionszeit. Dies zeigte, dass Mobilfunksignale biologisch nicht neutral sind, son­dern die Gehirnaktivität beeinflussen können.

Schlaf

RF bedingte Schlafstörungen wurden in mehreren Untersuchungen beobachtet. Mann & Röschke (1996) berichteten, dass RF Felder (ähnlich dem Mobilfunkbereich) den REM Schlaf reduzierten und das EEG Signal während des REM Schlafes veränderten. Der REM Schlaf ist für die Informationsverar­beitung im Gehirn essentiell, besonders für die Lern- und Gedächtnisfunktion. Es wird angenommen, dass der REM Schlaf für die Verarbeitung neuer Eindrücke und Information (Tagesrest) sowie für de­ren Verbindung mit älterer Erfahrungen notwendig ist.

Borbely et al. (1999) berichteten, dass Schlafmuster und Schlaf EEG unter Exposition gegenüber 900 MHz verändert wurden. Die alternierende Abfolge von 15-Min. on/off-lntervallen der RF Exposition reduzierte die Anzahl von Aufwachphasen. Das Maximum des EEG Leistungsspektrums fand sich im 10-11 Hz und 13,6-14 Hz Band während der Einschlafphase. Die Resultate zeigten, dass RF Felder des Mobilfunks den Schlaf fördern und das Schlaf EEG verändern.

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